Aschadi

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Sima Aschadi bech Adid

Herkunft und Kindheit

Geboren wurde ich in Brandal (), wo ich die ersten Jahre meiner Kindheit in einem großen, prächtigen, hellen Haus zusammen mit meiner Mutter, meiner Amme Nafi und mehreren anderen Bediensteten, von denen ich mich jedoch nur noch an unseren Gärtner Nemel wirklich erinnere, verbrachte. Mein Vater war sehr oft und z.T. über Monate hinweg nicht da. Wenn er von seinen Reisen zurück kam, brachte er mir immer schöne Geschenke mit und erzählte mir von den fernen, fremden Ländern, aus denen sie stammten. Einmal schenkte er mir eine Kette mit einem Anhänger aus rot schimmerndem Stein, der aussah wie eine Sonne; er hatte sie auf dem Markt einer Stadt namens Kalesch für mich gekauft. Er erzählte mir von den Völkern, die er auf seinen Reisen kennen gelernt hatte, von Fürstentümern, Rittern und großen Gebirgen. Er erzählte, dass es vor den Toren unserer Stadt eine riesige Wüste gebe, in der es nirgends Brunnen gab und in der schon viele Menschen und Tiere ihr Leben gelassen hatten. – Ich liebte seine Geschichten.
Von meiner Mutter lernte ich vor allem das Lesen und Schreiben. Sie war eine sehr geduldige Lehrerin und da es mir großen Spaß machte, zu lernen, wie ich all die schönen Märchen, die mir Nafi immer zum Einschlafen vorlas, ganz alleine lesen konnte, machte ich schnell Fortschritte. Mutter kümmerte sich auch oft um die vielen Leute, die mein Vater zu Besuch hatte. Ich musste dann immer besonders leise oder gleich ganz in einem anderen Flügel des Hauses spielen. Einmal habe ich sogar mitbekommen, wie mein Vater Nafi anschrie und ins Gesicht schlug, weil sie nicht gut genug auf mich aufgepasst hatte und er dadurch „in Schwierigkeiten“ geraten war. Ich machte mir jedoch oft einen Spaß daraus, am äußeren Geländer des Arbeitsbereiches meines Vaters hochzuklettern und die Männer heimlich zu beobachten, ohne dass sie etwas von meiner Anwesenheit geahnt hätten. Genauso schlich ich mich oft heimlich an Nafi heran, die sich jedes Mal fürchterlich erschreckte, wenn sie sich umdrehte und ich plötzlich vor ihr stand. An einen dieser Vorfälle erinnere ich mich noch sehr gut – Nafi war an diesem Tag nämlich ganz schrecklich böse auf mich: Ich bog gerade um den Türpfosten, als ich sah, wie Nafi einen seltsamen blauen Vogel, der irgendetwas in den Klauen zu haben schien, durchs offene Fenster fortschickte. Da sie jedoch so wütend war, wagte ich nicht, sie zu fragen, was das bedeutete.
Ein anderes meiner Lieblingsspiele war es, mit einer selbst gebauten Schleuder und kleinen Steinchen, die ich mir aus dem Garten holte, die handtellergroßen Fliegen abzuschießen, um sie aus meinem Zimmer zu vertreiben. Aber jedes Mal, wenn Mutter oder Nafi mich dabei erwischten, nahmen sie mir die Schleuder weg und schimpften mit mir, weil ich als Mädchen solche Spiele nicht spielen sollte. Nemel war der einzige, der mir dieses Spiel nicht verbot, sondern mir im Gegenteil Tipps und Tricks zum besseren Zielen und Treffen beibrachte.

Und dann, eines Nachts – ich war gerade sieben Jahre alt geworden - , sollte sich auf einen Schlag mein junges Leben für immer verändern:
Ich hatte schon tief und fest geschlafen, als ich plötzlich von Nafi wachgerüttelt wurde. „Schnell, meine Kleine, zieht euch an – wir müssen gehen!“ Ich konnte die Angst in ihrer Stimme hören – ihre Hände, die mich an den Schultern fassten und mir eilig mein Mäntelchen überzogen, waren klamm und kalt. Ich wollte sie fragen, warum ich nicht weiterschlafen dürfe, ihr sagen, dass ich noch zu müde zum Frühstücken sei. Doch sie legte ihre Hand auf meinen Mund, nahm mich auf den Arm und eilte mit mir zur Tür. Auf dem Flur sah ich meine Mutter. Sie hatte ihren Reisemantel an und einen kleinen Koffer in der einen Hand. Mit der anderen strich sie mir kurz übers Haar und flüsterte: „Wir müssen fort von hier, Sima. Die Soldaten werden kommen und deinen Vater holen.“
Wir gingen in den Hof, wo mein Vater bereits zusammen mit Nemel auf uns wartete. Sie hatten die Dromedare gesattelt und zwei der Tiere trugen Sänften. „Schnell“, zischte mein Vater, „sonst schaffen wir es nicht mehr!“ Wir bestiegen die Sänften, woraufhin sich unsere kleine Karawane sogleich in Bewegung setzte und mich für immer von meinem Zuhause wegbringen sollte. Wir reisten die ganze Nacht hindurch. Die Sänfte schaukelte hin und her und ich kauerte mich in Nafis Schoß zusammen, die Hand fest um meine kleine rote Sonne geschlossen. Keiner sprach ein Wort. Als die Sonne aufging, rief Nemel plötzlich etwas und mein Vater gab den Befehl, schneller zu reiten. Kurz darauf hörten wir das Getrappel vieler Pferde hinter uns und die Rufe einiger Männer. Ich war zu Tode erschrocken und verbarg mein Gesicht ganz fest an Nafis Schulter. Unser Dromedar blieb stehen und ich hörte meines Vaters Stimme, die ruhig und beherrscht klang:
„IHR! Nur weil ich euer Angebot nicht akzeptiert habe, schickt ihr eure Hofhunde hinter mir her, Dolossa? Bin ich euch derart gefährlich geworden? Könnt ihr eure krummen Geschäfte nicht auch ohne mich abwickeln, so wie ihr es schon seit Jahrzehnten gewohnt seid? Die Beamten der Stadt habt ihr ja wohl eh’ bestochen…“
„Und riskieren, dass du plötzlich den Einfall bekommen könntest, der Gilde des Wassers einen kleinen Tipp zu geben?“
Eine fremde Stimme lachte hämisch. „Nein, mein Lieber, tut mir leid. – Tötet ihn!“
In diesem Augenblick stürzte meine Mutter aus der Sänfte – und es surrten schnell hintereinander drei Pfeile durch die Luft…
„He, da drin sind noch welche!“ – Das war wohl einer der Soldaten, die hinter uns her gejagt waren. Ein Gesicht erschien am Vorhang unserer Sänfte. „Lasst sie einfach hier verrecken – die sind die Mühe nicht wert. Zurück schaffen die das eh’ nicht mehr.“ Und erneut das hämische Lachen.
Dann hörten wir, wie die Männer sich unter lautem Gejohle und Gelächter in die Richtung davon machten, aus der wir gekommen waren.
Ich war wie versteinert. Auf Nafis Schoß zusammengekauert, presste ich mich an sie, die Augen fest zugekniffen, in der Hand die kleine Sonne, deren Zacken mir in die Handfläche stachen und das Blut meinen Arm hinabrinnen ließen. Nach einer Zeit, die mir wie eine Ewigkeit vorkam, bewegte sich Nafi. Sie nahm wortlos ihren Schal vom Hals, strich mir übers Haar und verband mir dann die Augen, damit ich den Anblick meiner toten Eltern nicht ertragen musste. Dann nahm sie mich auf den Arm und lief mit mir weg – weit und lange. Ich weiß nicht genau, wie lange oder wohin sie gelaufen war, doch ich spürte, dass wir uns irgendwann begauf bewegten. Der Weg war sohl sehr schwierig und steil, denn Nafi stolperte oft und ließ mich einige Male fast fallen.

Ankunft bei den Assassinen

Plötzlich blieb sie stehen und setzte mich auf den Boden. Sie nahm mir das Tuch von den Augen – und was ich sah, entsetzte mich: Nafi hatte sich über mich gebeugt, doch ich erkannte sie kaum. Ihre Augen waren weit und glasig, die Lippen aufgeplatzt und das Gesicht glühend rot. Ich wollte wegrennen, doch sie packte meinen Kopf mit beiden Händen und zwang mich, ihr in die Augen zu sehen. „Hört mir zu, Sima. Ich kann nicht bei euch bleiben, aber wenn ihr bei dieser Gemeinschaft Zuflucht sucht und euch ihr anschließt, so werdet ihr dort eure Zukunft finden. Die Assassin suchen ständig neue Schüler und ich weiß, dass ihr die Ausbildung überleben werdet. Lebt wohl – und versucht zu vergessen.“ Mit diesen Worten drehte sie sich um und verschwand schwankend hinter einem Felsen. Ich lief hinter ihr her, doch als ich den Ort erreichte, war sie nicht mehr zu sehen. Traurig und verwirrt setzte ich mich auf einen Stein. Ich war müde, hungrig und sehr durstig und wollte eigentlich einfach nur nach Hause… Jetzt erst betrachtete ich meine Umgebung:
Ich befand mich auf einem kleinen Felsplateau am Rand einer tiefen Schlucht, die so breit war, dass man ihr Ende nicht erblicken konnte. (Viel später erfuhr ich, dass dies der Rand eines großen Gebirges, des sogenannten, war.) Unter und über mir sah ich nichts als eine gewaltige Felswand, die ganz weit unten in einer sandigen Ebene endete. Wo um alles in der Welt sollten hier Menschen sein? Als ich mich umdrehte, sah ich hinter mir in die Felswand ein Loch gehauen, das aussah wie der Eingang zu einer Höhle. Vielleicht war es da drin wenigstens nicht mehr ganz so heiß?
In der Höhle empfing mich die erhoffte Kühle und mit ihr eine undurchdringliche Dunkelheit. Ich tastete mich langsam, Schritt für Schritt vor und erinnerte mich dabei an die wilden Tiere und die gefährlichen Räuber, die es in den Geschichten Nafis und meines Vaters immer gegeben hatte… Plötzlich hörte ich eine Stimme:
„Was willst du hier?“
Ich war derart erschrocken, dass ich keinen Ton herausbrachte. Was wollte ich eigentlich hier? „Nafi hat gesagt, ich soll bei dir bleiben und deine Schülerin sein.“
Schallendes Gelächter war die Antwort. „Du? Du willst eine Assassin aus der Schule von Alanora werden? Komm erst mal ans Licht, damit ich dich anschauen kann!“
Vor mir schob sich die Felswand zu Seite und ich stand plötzlich in einer Art Innenhof, zu dessen Seiten sich enorme Felswände in den Himmel erhoben. In die Wände waren Treppen, Gänge und Höhlen gehauen, jedoch war kein einziger Mensch zu sehen. Die Stimme vernahm ich nun deutlich über mir im Fels: „Soso, eine Assassin.“ Ich drehte mich um und sah in einer Nische im Fels einen Mann stehen. Er war groß, hatte dunkles Haar, noch dunklere Augen und trug einen Spitzbart. Er war in ein sandfarbenes Gewand gehüllt, das mit Lederbändern gehalten wurde und an dessen Seite ein langer Säbel baumelte.
„Willst du wirklich hier bleiben? Aber nach allem, was mit deiner Familie geschehen ist, bleibt dir ja wohl wenig anderes übrig, nicht wahr, Kleine? Na komm mit, ich bringe dich zu Antai. Er wird sich schon um dich kümmern.“
Er verschwand im Fels und erschien kurz darauf auf einer der zahlreichen Treppen. Ich folgte ihm durch Gänge, Höhlen und Innenhöfe und wunderte mich insgeheim, wie er wohl wissen konnte, was in der Wüste wenige Stunden zuvor geschehen war.

Die Ausbildung

Was nun folgte, ist schnell erzählt. Antai nahm mich, nachdem er mich genaustens befragt, getestet und begutachtet hatte, als seine Schülerin zu sich und lehrte mich die Kunst der Assassin. Von nun an war jeder Tag gleich strukturiert, bestimmt von eiserner Disziplin und strengem Gehorsam. Früh am Morgen musste ich mit einigen weiteren Kindern in meinem Alter, die ich jedoch nur während der Übungszeiten zu Gesicht bekam, in einem großen Innenhof antreten, wo wir Übungen zu Beweglichkeit und Ausdauer absolvierten. Später kamen in dieser Phase Kampfübungen mit und ohne Stöcke hinzu. Regelmäßige Meditation, verbunden mit Atem- und Gleichgewichtsübungen sollten unser Körperbewusstsein und unsere Körperbeherrschung schulen. Wir wurden in regelmäßigen Abständen blind in der Wüste ausgesetzt mit der Aufgabe, lebend zum Ausbildungslager zurückzukommen. Jeden Nachmittag standen Kletterübungen an den Felsen auf dem Stundenplan, wobei ich stets den Eindruck hatte, dass Antai mir immer die schwierigsten Felsen zuwies, die ich jedoch dank meiner angeborenen Freude am Klettern meist fehlerlos bezwang. In den späteren Jahren meiner Ausbildung verbrachte ich meine Abenden damit, Gifte und deren Wirkung zu studieren, sowie die Arten, wie man sie verabreichte und neutralisierte. Ich verstand nach und nach, was der Zweck dieser Ausbildung, das Ziel der Assassin war:
Hier wurden Kämpfer ausgebildet. Kämpfer, die im Schatten der Dämmerung agierten, mit List und Täuschung arbeiteten und einen Mann – etwa einen hochrangigen Politiker oder Händler – unauffällig aus dem Weg räumen oder auch beschützen können sollten, je nach Art ihres Auftrages. Gemäß dieser Mission lernte jeder Schüler der Assassin einen Verhaltenskodex, den es unter allen Umständen einzuhalten galt:

  • 1. Niemand ist unersetzlich.
  • 2. Niemand ist frei von Schwäche.
  • 3. Der Auftrag ist wichtiger als das Leben.
  • 4. Nur du selbst bist für das Gelingen deines Auftrages verantwortlich.

Der Kampf mit der Harpyie

Als ich mein 16. Lebensjahr vollendet hatte, war der erste Teil meiner Ausbildung abgeschlossen und ich sollte zu einer Art Zwischenprüfung antreten. Antai rief mich früh morgens zu sich und nahm mich mit in einen Teil des Lagers, den ich zuvor noch niemals hatte betreten dürfen: das Waffenlager der Assassin. Ich durfte mir aus dem Arsenal eine Waffe meiner Wahl aussuchen und wählte zwei kleine Krummsäbel, die ich mir quer über den Rücken schnallte.
Nun ging es zur eigentlichen Prüfung. Antai führte mich einen guten Tagesmarsch ins Gebirge hinein, bis er plötzlich am Eingang einer Höhle stehen blieb. Er sah mir in die Augen und sagte zu mir: „Du wirst in diese Höhle gehen und das erste Wesen, das dir begegnet, wirst du töten. Ich erwarte dich morgen zur fünften Stunde in meinem Raum.“
Und er drehte sich um und ging. Rechnete ich den Rückweg ein und wollte ich die festgesetzte Zeit nicht überschreiten, so hatte ich nicht viel Zeit, zumal ich keine Ahnung hatte, welche Kreatur mich in dieser Höhle erwarten würde. Ich packte also meine Säbel und ging geradewegs in die Höhle hinein. Doch meine Bedenken wurden sogleich zerstreut: Ich hatte keine 100 Schritte zurückgelegt, da hörte ich hinter mir ein seltsames Klacken. Ich fuhr herum – und blickte in die gelben Augen einer Harpyie, die ihre spitzen Krallen nach mir ausgestreckt hatte. Ehe ich reagieren konnte, hatte sie mir mit ihren drei Krallen quer über die rechte Gesichtshälfte gekratzt, und sogleich spürte ich den metallischen Geschmack meines Blutes in meinen Mundwinkeln. Ich stürzte auf sie zu und hieb ihr mit einem meiner Säbel die blutige Kralle ab, worauf sie vor Wut und Schmerz lauf aufschrie.
Es wurde ein verbissener Kampf, denn keine von uns hatte den Willen aufzugeben. Als ich fast am Ende meiner Kräfte angekommen war, machte die Kreatur jedoch eine unvorsichtige Bewegung und ich nutzte die Gelegenheit, ihr mit aller Kraft meinen Säbel in die Brust zu rammen. Sie hielt mitten in der Bewegung erstaunt inne und brach dann lautlos zusammen.
Nachdem ich mich einige Minuten auf einem Felsen ausgeruht hatte, nahm ich die abgeschnittene Klaue der Harpyie und machte mich sogleich auf den Rückweg.
Als Antai mich erblickte, nickte er kurz und sagte mit einem langen Blick auf die drei tiefen, blutigen Furchen in meinem Gesicht:
„Du trägst nun das Zeichen der Harpye, also trage auch ihren Namen. Du bist von nun an Aschadi.“ (Denn so heißen die Harpyien in der Sprache meines Volkes.)
Die folgenden Abende nutzte ich dazu, mir aus den Krallen der Harpyie, einigen Lederbändern und kleinen Metallplättchen einen Haarschmuck herzustellen, den ich seit diesem Tag stets trage. Antai schenkte mir als Anerkennung für meine Leistung zwei Wurfdolche, von denen ich einen in meinem rechten Stiefel und den anderen im Inneren meines linken Ärmels tragen sollte. Und so übte ich mich von nun an auch in der Benutzung dieser beiden Waffen.

Eines Tages nahm Antai mich mit nach Brandal, wo ich zu Trainingszwecken für ihn einige kleinere Diebstähle durchführen sollte, was mir auch relativ leicht gelang. Als ich jedoch durch die Straßen der Stadt, durch ihre Hinterhöfe und Gärten schlich, kamen plötzlich Erinnerungen in mir auf, aus denen ein Name deutlich hervorstach: Dolossa! Bald würde die Zeit reif sein, dass ich meine Eltern würde rächen können. Immerhin hatte Antai mir versprochen, mir bald meinen ersten richtigen Auftrag zu erteilen.
Einige Wochen später war es dann soweit: Ich bekam den Auftrag, einen Diener des Vorsitzenden der Gilde des Wassers zu entführen, der im Verdacht stand, ein Verräter und Spion zu sein. Voller Stolz machte ich mich auf den Weg, machte den Mann ausfindig und beschattete ihn zunächst einige Tage lang. Dann, in einem – wie mir schien – günstigen Augenblick sprang ich in einer dunklen Seitenstraße hinter ihn, um ihn niederzuschlagen – als mich plötzlich ein dumpfer Schlag auf den Hinterkopf traf, der mich leblos zusammensacken ließ.
Als ich wieder zu mir kam, befand ich mich an Händen und Füßen gefesselt und mit entsetzlichen Kopfschmerzen in einem Kerker. Bald darauf kam ein Wächter vorbei, der mich angrinste und meinte: „Na, Kleine? Wohl doch nicht so schlau gewesen, he? War ganz lustig zu beobachten, wie du Fadil die ganze Zeit hinterher geschlichen bist… aber jetzt ist Schluss mit Schleichen. Kleine Mädchen haben nachts in dunklen Gassen eh’ nix zu suchen. Da isses nämlich viel zu gefährlich, hahaha!“
Ich hatte versagt – jämmerlich versagt! Ich war mir meiner Sache wohl zu sicher gewesen und unvorsichtig geworden – und das hatte ich nun davon. Nun saß ich hier fest in diesem stinkenden Loch, der korrupte Diener war immer noch frei und Antai würde ich niemals mehr unter die Augen treten können!

In der Gladiatorenarena

Doch das sollte bei weitem nicht meine einzige Sorge bleiben. Denn zwei Tage später holte man mich aus meiner Zelle und warf mich zusammen mit einigen anderen Gefangenen in einen vergitterten Wagen: „So, ihr Süßen! Ihr dürft euch freuen – ich wollte schon immer mal nach Gilgardor. Die Arena mit ihren Kämpfen ist legendär – nur dass ihr sie nicht überleben werdet!“
Nach einer zwei Wochen andauernden Reise, während der wir in unserem Wagen nicht nur mit Hitze und Durst, sondern auch mit allerlei Ungeziefer (mit zwei und mehr Beinen) zu kämpfen hatten, erreichten wir endlich den „Sandsarg“ – die Gladiatorenarena von Gilgardor. Meine Rüstung und meine Waffen wurden in einen dafür vorgesehenen Raum gesperrt und ich selbst wurde in eine Zelle geworfen. – Ich beschloss, dass ich hier nicht bleiben würde…
Glücklicherweise hatte der widerlich fette Kerkermeister nicht alle Stellen meines Körpers auf Waffen bzw. Diebeswerkzeuge untersucht, so dass ich bereits die erste Nacht zu einem Ausbruchsversuch nutzen konnte. Mein erster Weg führte mich selbstverständlich zur Waffenkammer, wo ich mir meine Ausrüstung zurückholte. Als ich jedoch auf der Suche nach einem Ausgang aus diesem Labyrinth von Gängen und Zellen durch einen L-förmigen Korridor schlich, hörte ich plötzlich Stimmen – und sie erklangen sowohl vor als auch hinter mir! Ich musste mich verstecken, allerdings war der einzige Schutz, der sich mir bot, eine Zelle an der Biegung des Ganges. Ich schlüpfte durch die Gitterstäbe und spähte in die Dunkelheit der Zelle. Zwei übernächtigte Augen blickten zornig mir entgegen und ich erkannte einen Zwerg, der an Händen und Füßen gefesselt auf dem Boden kauerte. „Keinen Ton, oder es war dein letzter!“ zischte ich ihm zu und versteckte mich zur linken Seite des Gitters. Als die fluchenden Wachen vorbei getrottet waren, sah ich mich in der Zelle um. Der Zwerg fing plötzlich an, unverständliche Laute von sich zu geben, nach den Wachen zu speien und an seinen Ketten zu zerren wie ein wildes Tier. Ich erstarrte, doch entgegen meiner Erwartung mieden die Wächter die Zelle und entfernten sich, so schnell es ihnen möglich war.
„Seit fünf Tagen kommen sie hier herein, um meinen Schlaf zu stören. Wäre ich still geblieben, hätten sie Verdacht geschöpft, denn wenn Brindosch meinen Geist wach hält, werde ich ihnen jeden Knochen einzeln im Leib zermalmen, sobald ich sie zu fassen kriege – und das wissen sie.“ Der Zwerg sprach mit leicht gebrochener Sprache und erst jetzt erkannte ich, dass sein Gesicht geschwollen, seine Augen blutunterlaufen und seine Hände und Handgelenke blutig zerfetzt waren. Dieses Wesen hatte ganz sicher Furchtbares erdulden müssen.
„Wenn du lange hier bleibst, werden sie uns beide töten. Brindosch erwartet mich wohl schon morgen. Dein Gott hat jedoch vielleicht noch andere Pläne für dich. Also geh.“ In den Boden der Zelle eingelassen erblickte ich ein schmutziges Loch, in das wohl der Unrat des Gefangenen geschüttet wurde; in der dem Zwerg gegenüberliegenden Ecke der Zelle lagen einige Rüstungsteile und eine wuchtige Nagelkeule, aus deren oberen Ende ein seltsamer Dorn emporragte. „Kannst du das Gitter anheben, so dass wir hinaus können?“ flüsterte ich dem Zwerg zu, der langsam nickte. Ich befreite ihn von seinen Fesseln und gemeinsam flohen wir durch den Abwasserkanal, der vor den Toren Gilgadors in eine schlammverkrustete Kuhle mündete.